»Ich bin der Zeus! Macht keine Zicken
und setzt Euch hier auf meinen Rücken!
Halt’t Euch am Horne fest und flieht
mit mir dorthin, wo’s keiner sieht!«
Erst zierte sich das Mädchen sehr –
dann weniger, dann wieder mehr –
da wurde es selbst Zeus ganz klar,
wie uneinig Europa war!
Und es ist gar nicht übertrieben,
zu sagen, es sei so geblieben!
Vor sechzig Jahren schrieb Heinz Erhardt diese Zeilen, und sie haben nichts von ihrer Bedeutung verloren. Der Sage nach hat Zeus die phönizische Königstochter auf der Mittelmeerroute nach Griechenland verschleppt. Millionen Menschen sind ihr bis heute gefolgt, gelockt von dem Mythos Europa, der Verheißung von Sicherheit, eines besseren Lebens, einer kulturellen Idee, dem Gemeinsamen Haus.
Gefunden haben sie aber auch ein Bollwerk, eine Grenze, ein bürokratisches Monster, eine einzige Baustelle und einen Sumpf von Korruption. Das Abendland hat sein Strahlen verloren, die Sonne scheint sich zu verfinstern, es droht der Blackout. Die Kinder Europas, Minos und Rhadamanthys, sind die Totenrichter am Ufer der Styx. Die Münze für den Fährmann ist obligatorisch.
Langeweile macht krank, kriminell oder kreativ. Manchmal ist sie Ausgangspunkt einer Schöpfungsgeschichte und setzt die Menschen in Bewegung.
Als den Göttern langweilig wurde, schufen sie die Menschen, erst einen, Adam, dem langweilig war, dann wieder eine, Eva, bald langweilten sich beide, als die existenziellen Kämpfe ausgefochten waren.
Zum Zeitvertreib fährt der moderne Mensch an Ziele, an denen viele sind, wir nennen das Massentourismus. Dort kann es wohl keine Langeweile geben. Aber stimmt das? Schützt uns die Ablenkung vor der existenziellen Leere, dem horror vacui?
Oder ist es eine Erfahrung ohne Inhalt, der Objektverlust, wie ihn Kierkegaard nennt? Diesen Fragen habe ich Venedig nachgespürt, einem Ort für die Ewigkeit, einer Zeitkapsel im endlosen Rhythmus der Gezeiten. Geht es auch dort nur um die zähe und mühsame Abwicklung der schleichenden Zeit?
Kommunismus und katholische Kirche sind in Italien scheinbar kein Widerspruch. Der blonde Christus wohnte schon in Venedig, als das kommunistische Büro in die Calle Nuova zog. Die Nachbarschaft hat ihn jedoch gewandelt. Er sah zu nordisch aus mit seinem blauen Gewand. Nun hat er ein eher arabisches Äußeres mit einem roten Gewand, was auch »besser« zu den Parteifarben passt.
Das älteste Mitglied der venezianischen Genossen kannte Che Guevara noch persönlich. Wenn ein Mitglied stirbt, gibt es eine kleine Trauerfeier vor der Wandkapelle. Hammer und Sichel über der Tür stehen in einem eigentümlichen Kontrast zu der Pace-Flagge an der Wand.
Venedig ist nicht Atlantis.
Es wird vielleicht nicht binnen eines Tages und einer Nacht verschwinden, wie es Platon für das mythische Inselreich beschrieben hat, aber es stirbt jeden Tag ein bisschen.
Am 12.11.2019 stieg das Hochwasser in einer Vollmondnacht auf den zweithöchsten Wert, der jemals gemessen wurde, 187 Zentimeter. Ein kleiner Zyklon näherte sich genau in dem Moment der höchsten astronomischen Flut. Wie mit einem Staubsauger zog diese Formation den starken Wind und das Meer in die Lagune. Seit dieser Nacht ist in Venedig nichts mehr, wie es war. Der Wirbelsturm schleuderte Gondeln aufs Land, die heute noch schwer gezeichnet auf dem Trockenen liegen. Das Eisen des Schwertes verkratzt von dem Schleifen über den Marmor der Kaimauer, das Heck zerklüftet vom harten Aufprall.
Lässt sich Schönheit messen?
Eine Frage, die sich die Menschen schon seit Menschengedenken stellen. Denn Schönheit und gute Proportionen erleichtern den Überlebenskampf, weil sie Fruchtbarkeit und Gesundheit signalisieren.
Die empirische Ästhetik greift zum Maßband, um der Attraktivität auf die Spur zu kommen. Ein zentraler Parameter für die Schönheit der Frau im Laufe der Jahrhunderte ist die Figur, die über das Taille-Hüfte-Verhältnis gemessen wird. Ideal ist nach der Studienlage ein Quotient von 0,7, wenn man die Taillenweite durch die Hüftweite teilt, unabhängig davon, ob die Frau schlank oder kurvig ist. Das richtige Verhältnis von Taille zu Hüfte ist nicht nur schön, sondern auch gleichzeitig gesund, weil es die ideale Fettverteilung berücksichtigt. Aus medizinischen Gründen sollte es bei Frauen unter 0,85 liegen. Alle Probandinnen in diesem Projekt schaffen diesen Wert, sind also gesundheitlich gut aufgestellt.
Aber wer hat das Idealmaß und erfüllt damit den Schönheitsfaktor?
Es war einmal eine wunderschöne junge Frau, die wollte noch viel schöner sein. Ihre Haut war weiß wie Schnee, ihre Augen schimmerten grün wie Smaragde.
Doch sie konnte ihre Schönheit nicht erkennen.
So begab sie sich in die Hände einer berühmten Chirurgin, die vor Kreativität nur so sprühte und ihr Handwerk zur Kunstform entwickelt hatte. Die junge Frau stellte sich vor, wie ihr neues Profil aussehen könnte, wie ihr die Herzen der Follower zufliegen und sie von einer Welle der Bewunderung getragen würde.
Als sie aus der Narkose aufwachte und langsam ihre Augen öffnete, konnte sie es kaum fassen …
Kultur umfasst im Grunde alles, was wir Menschen denken und tun können, im positiven wie im negativen Sinne.
Für Max Weber ist Kultur ein vom Menschen selbst gesponnenes Gewebe von Zeichen, das Sinn und Bedeutung vermittelt in einem unendlichen, sinnlosen Weltgeschehen. Der Mensch bedarf der Kultur, um seine Stellung im Kosmos zu verorten. Die Kultur ist der Scheinwerfer, der einen Punkt in der Unendlichkeit fokussiert und ihm in seiner Vergänglichkeit einen Platz darin sichert.
Dabei unterliegt die Kultur einer stetigen Veränderung. Erst durch die Pandemie wurde die kulturelle Evolution jäh unterbrochen. Unsere Gewohnheiten und Ausdrucksformen waren auf einmal eingeschränkt, allen voran die künstlerische Kultur im klassischen Sinne. Erst durch die Abwesenheit dieser Kultur ist uns deren Bedeutung schmerzlich bewusst geworden. Kultur ist mehr als ein Grundbedürfnis, sie ist essenziell.
Im Lockdown haben wir von Kultur geträumt und es sehnsüchtig vermisst, in sie einzutauchen und in ihr zu baden. Nie war ihr Wert so deutlich wie in einer Zeit, in der die Kulturtempel geschlossen waren. Lesen hat uns manchmal geholfen, aus dem Käfig der Pandemie auszubrechen, an Sehnsuchtsorte zu gelangen und unserer Fantasie freien Lauf zu lassen.
Plötzlich stand der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt, sondern neben sich. Das »Ich« wurde radikal vom Sockel geholt, musste sich fügen und beginnt langsam, die Welt mit anderen Augen zu sehen, aus einer neuen Perspektive.
Ungeheuer ist viel. Doch nichts ungeheuerlicher als der Mensch. Robert Gernhardt hat dem Menschen ein ungeheuerliches Wesen an die Seite gestellt, das GrünGürtel-Tier. Es soll in Frankfurt eine ganze Reihe davon geben…
»Heia! Bitte folgen Sie mir
Auf dem Weg durch das GrünGürtel-Tier-Revier.
Es lohnt sich! Besagtes Tier ist so rar
Wie das Kreuzungsergebnis von Wutz, Molch und Star.
Und es lebt dem Vernehmen nach ausschließlich hier:
Auf geht’s! Wer findet das GrünGürtel-Tier?«
(Robert Gernhardt 2002)
Drittelregel Terhaag, Schütze, Vigoo GbR
Brend’amourstr. 5
40545 Düsseldorf
✆ 0211 55789134
✉︎ info@drittelregel.de
Nichts verpassen:
Die neuesten Ausstellungen:
Schnellzugriff: