Bei der Bekanntgabe des Projektthemas «Nähe» im Sommer 2023 war ich in der Türkei zum Familienbesuch.
Meine betagte Schwägerin hatte gerade beim Teetrinken von einer weit zurückliegenden Begebenheit erzählt. Bei einem sonntäglichen Teetrinken in der Großfamilie in den Fünfzigerjahren seien sich zwei Knie nahegekommen. Zwei Knie, die tragischerweise zu jeweils nicht miteinander verheirateten Personen gehörten. Diese ungebührliche Nähe bot den aufmerksamen Tanten Anlass zum Tuscheln und führten etwas später zu einem Skandal um Ehebruch und Moral.
Daraus erwuchs meine Aufmerksamkeit für körperliche Nähe im türkischen Straßenalltag. Nähe zwischen Männern und Nähe zwischen Frauen, manchmal auch Nähe zwischen Mann und Frau. Ich konnte meinen Blick nicht mehr abwenden von sich nähernden, sich nahe seienden Füssen, Knien und Händen.
Wie begegnen sie sich gerade heute in diesen politisch und sozial rauen Zeiten? Beim genauen Hinschauen habe ich viel Wärme und Zugewandtheit unter Menschen gesehen und bin selbst etwas zuversichtlicher geworden, hinsichtlich eines sich zukünftig doch noch zum Besseren wendenden Weges der Türkei.